Wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, beruflich neue Wege zu gehen, stoßen Sie früher oder später auf die Begriffe freiberuflich und selbstständig. Beide stehen für Unabhängigkeit, Eigenverantwortung und die Möglichkeit, Ihre berufliche Tätigkeit selbst zu gestalten. Doch was genau unterscheidet diese beiden Formen der Erwerbstätigkeit?
Der Begriff „selbstständig“ ist ein Oberbegriff, unter den sowohl die freiberufliche als auch die gewerbliche Tätigkeit fällt. Während Freiberufler*innen bestimmte, gesetzlich definierte Berufe ausüben, gelten alle anderen selbstständigen Tätigkeiten in der Regel als gewerblich. Diese Unterscheidung ist nicht nur sprachlich relevant, sondern hat konkrete Auswirkungen auf Ihre steuerlichen Pflichten, Ihre Buchführung und Ihre rechtliche Stellung.
In diesem Beitrag erfahren Sie, welche Unterschiede es zwischen freiberuflicher und selbstständiger Tätigkeit gibt, welche Voraussetzungen jeweils erfüllt sein müssen und worauf Sie bei der Wahl Ihrer beruflichen Form achten sollten. Eine übersichtliche Tabelle im nächsten Punkt hilft Ihnen dabei, die Unterschiede klar zu erkennen und die für Sie passende Richtung einzuschlagen.
11 Unterschiede zwischen freiberuflich und selbstständig sein
Um den Unterschied zwischen freiberuflicher und gewerblich selbstständiger Tätigkeit besser zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die wichtigsten Merkmale beider Formen. Die folgende Tabelle zeigt übersichtlich, wie sich Freiberufler*innen und Gewerbetreibende in rechtlicher, steuerlicher und organisatorischer Hinsicht voneinander unterscheiden:
Kriterium | Freiberuflich | Gewerblich Selbstständig |
|---|
| Selbstständige Tätigkeit auf Basis geistiger, wissenschaftlicher oder künstlerischer Arbeit | Selbstständige Tätigkeit mit wirtschaftlichem Zweck, z. B. Handel, Handwerk, Dienstleistungen |
| § 18 Einkommensteuergesetz (EStG) | § 15 Einkommensteuergesetz (EStG) |
| Ärzt*innen, Anwält*innen, Journalist*innen, Designer*innen, Therapeut*innen | Händler*innen, Gastronom*innen, Handwerker*innen, Betreiber*innen von Online-Shops |
| | Erforderlich beim Gewerbeamt |
| | Ja, ab einem Freibetrag von 24.500 € Gewinn pro Jahr |
| Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) möglich | EÜR oder doppelte Buchführung je nach Umsatz/Gewinn |
| Prüfung, ob Tätigkeit als freiberuflich anerkannt wird | Prüfung der steuerlichen Pflichten als Gewerbetreibende*r |
| Eigenverantwortlich, ggf. über Künstlersozialkasse | Eigenverantwortlich, ggf. Pflichtmitgliedschaft in Berufsgenossenschaft |
| Teilweise Pflichtmitgliedschaft (z. B. Ärztekammer, Rechtsanwaltskammer) | Je nach Branche (z. B. Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer) |
| Persönlich, aber oft geringer (keine Lagerhaltung, kein Warenverkauf) | Höher, z. B. durch Investitionen, Lagerhaltung, Personal |
| Möglich, aber persönliche Leistung muss im Vordergrund stehen | Möglich und üblich, keine Einschränkung |
In den nächten beiden Punkten erklären wir Ihnen die Unterschiede zwischen freiberuflicher und selbstständiger Tätigkeit genauer.
Was bedeutet es, freiberuflich zu arbeiten?
Freiberuflich tätig zu sein bedeutet, dass man eine selbstständige Arbeit ausübt, die nicht als Gewerbe gilt. Freiberufler*innen arbeiten eigenverantwortlich, meist auf Basis ihrer persönlichen Qualifikation, und erbringen Dienstleistungen geistiger oder schöpferischer Natur. Die rechtliche Grundlage dafür findet sich in § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Mehr zum Thema: Was bedeutet es, Freiberufler*in zu sein?
➡️ Die rechtliche Definition: Katalog- und ähnliche Berufe
Das Gesetz unterscheidet zwischen sogenannten Katalogberufen und beruflich ähnlichen Tätigkeiten.
Zu den klassischen Katalogberufen zählen:
Ärzt*innen, Zahnärzt*innen
Rechtsanwält*innen, Notar*innen
Steuerberater*innen, Wirtschaftsprüfer*innen
Ingenieur*innen, Architekt*innen
Journalist*innen, Schriftsteller*innen
Heilpraktiker*innen, Psychotherapeut*innen
Lehrer*innen, Erzieher*innen
Wer eine Tätigkeit ausübt, die diesen Berufen ähnlich ist, kann ebenfalls als Freiberufler*in gelten – vorausgesetzt, die Arbeit basiert auf eigener Fachkenntnis und wird persönlich und eigenverantwortlich ausgeführt.
➡️ Kein Gewerbe, keine Gewerbesteuer
Ein zentraler Vorteil der Freiberuflichkeit ist, dass keine Gewerbeanmeldung erforderlich ist. Stattdessen genügt die Anmeldung beim Finanzamt, das die Tätigkeit als freiberuflich anerkennt. Dadurch entfällt auch die Gewerbesteuer, die für gewerbliche Selbstständige verpflichtend ist.
Mehr zum Thema: Mit diesen Steuern müssen Sie als Freiberufler*in rechnen
➡️ Vereinfachte Buchführung
Freiberufler*innen dürfen ihre Einnahmen und Ausgaben in der Regel über eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) erfassen. Eine aufwendige Bilanzierung ist nicht notwendig, was den administrativen Aufwand deutlich reduziert.
Tipp: Nutzen Sie die kostenlose Tide Buchhaltung und Finanzübersicht, um Ihre Geschäftsausgaben zu organisieren. Sie können z. B. Ihre Belege einfach in der Tide App hochladen und mit Ihren Transaktionen verknüpfen.
➡️ Sozialversicherung: Eigenverantwortung gefragt
Freiberuflich Tätige sind nicht automatisch in der gesetzlichen Sozialversicherung. Sie müssen sich selbst um ihre Krankenversicherung, Rentenversicherung und ggf. Berufsunfähigkeitsversicherung kümmern.
Für bestimmte Berufsgruppen – etwa Künstler*innen und Publizist*innen – gibt es die Möglichkeit, sich über die Künstlersozialkasse (KSK) zu versichern, die einen Teil der Beiträge übernimmt.
Mehr zum Thema: Ist die Berufsgenossenschaft für Selbstständige sinnvoll?
➡️ Persönliche Leistung im Mittelpunkt
Ein wesentliches Merkmal der Freiberuflichkeit ist, dass die persönliche Arbeitsleistung im Vordergrund steht. Das bedeutet: Die Dienstleistung wird nicht durch Maschinen, Angestellte oder Handelsware erbracht, sondern durch die individuelle Expertise und das geistige Können der freiberuflich tätigen Person.
➡️ Beispielhafte Tätigkeiten
Neben den klassischen Berufen gibt es viele moderne Tätigkeiten, die als freiberuflich gelten können – etwa:
IT-Berater*innen, Softwareentwickler*innen (wenn sie konzeptionell arbeiten)
Designer*innen, Texter*innen, Übersetzer*innen
Coaches, Trainer*innen, Therapeut*innen
Ob eine Tätigkeit als freiberuflich anerkannt wird, hängt oft vom Einzelfall ab. Das Finanzamt prüft, ob die Voraussetzungen erfüllt sind – insbesondere die fachliche Qualifikation und die Art der Dienstleistung.
➡️ Pflichtmitgliedschaft in Kammern
Je nach Beruf kann die Mitgliedschaft in einer berufsständischen Kammer verpflichtend sein.
Dazu zählen:
Ärzt*innen → Ärztekammer
Rechtsanwält*innen → Rechtsanwaltskammer
Steuerberater*innen → Steuerberaterkammer
Architekt*innen → Architektenkammer
Diese Kammern vertreten die Interessen ihrer Mitglieder, bieten Fortbildungen an und überwachen die Berufsausübung. Auch die berufliche Zulassung läuft oft über diese Kammern.
Die Zugehörigkeit zu einer Kammer oder einem Verband kann für die berufliche Anerkennung, die rechtliche Absicherung und die Weiterentwicklung entscheidend sein. Sie zeigt auch, dass man sich an bestimmte Standards und ethische Richtlinien hält – was gerade bei freiberuflichen Tätigkeiten Vertrauen schafft.
Was bedeutet es, selbstständig zu sein?
Selbstständig zu sein bedeutet, dass man beruflich eigenverantwortlich tätig ist – also nicht angestellt bei einem Unternehmen, sondern auf eigene Rechnung arbeitet. Selbstständigkeit ist der Oberbegriff, unter den sowohl freiberufliche als auch gewerbliche Tätigkeiten fallen.
➡️ Selbstständigkeit: Der Oberbegriff
Wer selbstständig arbeitet, ist nicht weisungsgebunden, nicht in eine betriebliche Hierarchie eingebunden und trägt das unternehmerische Risiko selbst.
Das bedeutet:
Man entscheidet selbst über Arbeitszeit, Arbeitsort und Arbeitsweise.
Man akquiriert eigene Kund*innen oder Auftraggeber*innen.
Man stellt Rechnungen für erbrachte Leistungen.
Man ist selbst verantwortlich für Steuern, Versicherungen und Altersvorsorge.
➡️ Formen der Selbstständigkeit
Es gibt zwei Hauptformen:
Freiberufliche Selbstständigkeit (wie oben beschrieben)
Gewerbliche Selbstständigkeit
Die gewerbliche Selbstständigkeit umfasst alle Tätigkeiten, die nicht unter die freiberuflichen Berufe fallen. Dazu gehören z. B.:
Handel (Einzelhandel, Online-Shops)
Handwerk (z. B. Friseur*innen, Tischler*innen)
Gastronomie
Dienstleistungen wie Gebäudereinigung, Eventmanagement, IT-Service (wenn nicht konzeptionell)
Produktion und Vertrieb von Waren
➡️ Gewerbeanmeldung und rechtliche Pflichten
Wer gewerblich selbstständig ist, muss ein Gewerbe anmelden – in der Regel beim zuständigen Gewerbeamt.
Damit verbunden sind weitere Pflichten:
Gewerbesteuer: Ab einem bestimmten Gewinn muss Gewerbesteuer gezahlt werden.
Handelsregistereintrag: Je nach Unternehmensform und Größe kann ein Eintrag ins Handelsregister nötig sein.
Buchführungspflichten: Gewerbetreibende müssen ggf. eine doppelte Buchführung machen und eine Bilanz erstellen.
Tipp: In einem weiteren Artikel erklären wie Ihnen, wie Sie Ihre Chancen erhöhen, als Selbstständige*r einen Kredit zu bekommen.
➡️ Sozialversicherung und Absicherung
Auch gewerblich Selbstständige sind nicht automatisch sozialversichert. Sie müssen sich selbst um ihre Krankenversicherung, Rentenversicherung und ggf. Unfallversicherung kümmern. In bestimmten Branchen (z. B. Handwerk) kann eine Mitgliedschaft in einer Berufsgenossenschaft verpflichtend sein.
➡️ Selbstständigkeit vs. Scheinselbstständigkeit
Ein wichtiger Punkt ist die Abgrenzung zur Scheinselbstständigkeit. Wer formal selbstständig ist, aber faktisch wie eine angestellte Person arbeitet (z. B. nur eine*n Auftraggeber*in hat, keine unternehmerischen Freiheiten genießt), läuft Gefahr, als scheinselbstständig eingestuft zu werden – mit rechtlichen und finanziellen Konsequenzen.
➡️ Mitgliedschaft in Kammern
Gewerblich Selbstständige sind in der Regel automatisch Mitglied in der zuständigen Industrie- und Handelskammer (IHK) oder Handwerkskammer, sobald sie ihr Gewerbe anmelden. Diese Mitgliedschaft ist gesetzlich vorgeschrieben und mit einem jährlichen Beitrag verbunden.
Die Kammern bieten:
Beratung zu Gründung, Finanzierung und Recht
Netzwerke und Veranstaltungen
Unterstützung bei Ausbildung und Fachkräftesuche
Tipp: Nutzen Sie unsere kostenlose Checkliste "Ihr Weg in die Selbstständigkeit", um einen stringenten Geschäftsplan vor Ihrer Gründung zu erstellen.
Sind Freelancer*innen freiberuflich oder selbstständig tätig?
Freelancer*innen sind grundsätzlich selbstständig tätig.
Das bedeutet: Sie arbeiten eigenverantwortlich, ohne festes Angestelltenverhältnis, und tragen das unternehmerische Risiko selbst. Sie entscheiden selbst über Arbeitszeit, Arbeitsort und Auftraggeber*innen.
Ob sie dabei freiberuflich oder gewerblich selbstständig tätig sind, hängt von der Art ihrer Tätigkeit ab:
➡️ Freiberuflich tätige Freelancer*innen
Wenn die Tätigkeit zu den sogenannten freien Berufen gehört – also z. B. journalistisch, künstlerisch, beratend, lehrend oder wissenschaftlich ist – gelten Freelancer*innen als freiberuflich.
Beispiele:
Texter*innen, Journalist*innen
Designer*innen (wenn konzeptionell-künstlerisch)
IT-Berater*innen (wenn beratend und konzeptionell)
Übersetzer*innen
Diese Personen müssen kein Gewerbe anmelden, zahlen keine Gewerbesteuer und dürfen eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung (EÜR) machen.
➡️ Gewerblich tätige Freelancer*innen
Wenn die Tätigkeit nicht unter die freien Berufe fällt – etwa weil sie eher technisch, handwerklich oder verkaufsorientiert ist – gelten Freelancer*innen als gewerblich selbstständig.
Beispiele:
Webentwickler*innen, die fertige Websites „produzieren“
Social-Media-Manager*innen, die Accounts betreuen
Virtuelle Assistent*innen
Fotograf*innen (je nach Ausrichtung)
In diesen Fällen ist eine Gewerbeanmeldung erforderlich, und es fällt ggf. Gewerbesteuer an.
Selbstständig oder freiberuflich: Was sind die Vor- und Nachteile?
Sowohl die freiberufliche als auch die gewerbliche Selbstständigkeit bieten Ihnen attraktive Möglichkeiten, Ihre berufliche Tätigkeit eigenständig zu gestalten. Doch je nach Tätigkeitsform ergeben sich unterschiedliche Rahmenbedingungen, die sich auf Ihre steuerliche Belastung, Ihre organisatorischen Pflichten und Ihre unternehmerische Freiheit auswirken.
Kriterium | Freiberuflich | Gewerblich Selbstständig |
|---|
| - Keine Gewerbeanmeldung - Keine Gewerbesteuer - Vereinfachte Buchführung - Zugang zur Künstlersozialkasse | - Breite Tätigkeitswahl - Skalierbarkeit - Zugang zu Fördermitteln - Unternehmensaufbau möglich |
| - Nur bestimmte Berufe erlaubt - Unsicherheit bei Einstufung - Begrenzte Skalierbarkeit - Kein Zugang zu gewerblichen Förderprogrammen | - Gewerbeanmeldung nötig - Gewerbesteuerpflicht - Aufwendigere Buchführung - Pflichtmitgliedschaft in Kammern |
Fazit: Klarheit schaffen für den richtigen Weg in die Selbstständigkeit
Ob freiberuflich oder gewerblich – beide Formen der Selbstständigkeit bieten Ihnen die Möglichkeit, Ihre berufliche Zukunft eigenverantwortlich zu gestalten. Der Unterschied liegt nicht nur in der Art der Tätigkeit, sondern auch in den rechtlichen, steuerlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen, die Sie kennen und berücksichtigen sollten.
Wenn Sie eine Tätigkeit ausüben, die zu den freien Berufen zählt, profitieren Sie von vereinfachten steuerlichen Regelungen und müssen kein Gewerbe anmelden. Üben Sie hingegen eine gewerbliche Tätigkeit aus, gelten andere Pflichten – etwa die Gewerbeanmeldung und die Zahlung von Gewerbesteuer.
Die Entscheidung für die passende Form hängt von Ihrer beruflichen Ausrichtung, Ihren Zielen und Ihrer persönlichen Situation ab. Informieren Sie sich gründlich, holen Sie bei Bedarf fachlichen Rat ein und schaffen Sie eine solide Grundlage für Ihre Selbstständigkeit.
Denn je besser Sie die Unterschiede verstehen, desto sicherer und erfolgreicher können Sie Ihren eigenen Weg gehen.